Großes Treffen im Traumparadies

Großes Treffen im Traumparadies

Das oberste und wirklich allerwichtigste Wichtelgesetz lautet: Zeig dich niemals, unter gar keinen Umständen, absolut nie nie niemals einem Menschen. Denn sonst, so sagt man, gehen deine Zauberkräfte für alle Zeiten verloren. 

Für uns Wichtel ist das unvorstellbar. Was würden wir Wichtel bloß ohne Zauberei anstellen? Das wäre schon wirklich langweilig… und auch sehr anstrengend. 

Deshalb bemühen wir uns sehr, dass uns die Menschen, bei denen wir einziehen, nie zu Gesicht bekommen. Wir sind nur in deren Wohnung unterwegs, wenn sie entweder schlafen oder tagsüber im Kindergarten, in der Schule oder in der Arbeit sind. Dann wagen wir uns aus unserer Wichteltür heraus und erkunden mit größter Freude die Wohnung unserer lieben menschlichen Gastgeber. 

Und diese Regel konnte ich sehr lange auch sehr gut einhalten. Doch irgendwann wurde mir schon sehr wehmütig und traurig ums Herz. Denn ich lebte nun schon seit über zwei Jahren das ganze Jahr über bei der kleinen Frieda. 

Frieda war acht Jahre alt und sie malte jeden Tag für mich wunderschöne Zeichnungen und schrieb mir herzallerliebste Briefe. Ich antwortete stets und hatte auch großen Spaß daran.

Doch einmal bat mich Frieda in ihrem Brief, ob wir uns denn nicht treffen könnten. Wir würden nun schon so lange zusammenleben und hätten trotzdem noch nie Tee miteinander getrunken. 

Da hatte Frieda natürlich Recht. Aber ich musste ihr erklären, dass das leider nicht geht, weil ich ihr sonst nicht mehr die ganzen lustigen Dinge herzaubern könnte. Das verstand das Mädchen zum Glück und war auch nicht böse auf mich.

Mir aber ließ ihr Wunsch keine Ruhe, denn auch ich wollte so gerne mal mit Frieda gemeinsam Tee trinken und Plätzchen naschen. Aber wie? Ich zerbrach mir wochenlang den Kopf, wälzte ein Wichtelzauberbuch nach dem anderen. Und telefonierte eines Tages zufällig mit meinem guten Freund Melte. Er verriet mir einen wirklich großartigen Zauber, mit dem ich Frieda zwar nicht tagsüber besuchen konnte, wohl aber in ihren Träumen.

Ich war Feuer und Flamme und ließ mir von Melte ganz genau die einzelnen Schritte erklären. Zunächst musste ich einen sehr aufwändigen Zaubertrank brauen. Dafür lief ich nachts in den Wald in der Nähe von Friedas Haus und pflückte dort Schlafwurzelblätter. Die kann man tagsüber nicht sehen, denn sie erscheinen nur nachts, wenn alle schlafen. Dann holte ich noch ein bisschen Traumerde von der alten Eiche hinter der Kirche, die auch nur nachts ihre magische Wirkung entfalten kann. Ein paar Gänseblümchen und Haselnüsse gehörten auch in den Zaubertrank – und natürlich einige Tropfen Regenwasser aus einer Pfütze in Friedas Garten. 

Puh… das war eine lange Nacht, das kann ich euch verraten. Meine Füße taten mir danach ganz schön weh, so viel bin ich herumgelaufen. Aber dennoch begann ich, den Zaubertrank zu brauen als die ersten Sonnenstrahlen vorsichtig die Nacht vertrieben. Denn genau dann musste es geschehen, im Morgengrauen. Schnell zerstampfte ich die Schlafwurzelblätter, vermischte sie mit der Traumerde, kochte die Gänseblümchen und entsaftete die Haselnüsse. Ich gab alle Zutaten – auch das Regenwasser – zusammen und pürierte es fein. 

Danach kam noch eine Brise Zauberpulver drauf, ich schaute raus und sagte – gerade noch rechtzeitig, bevor die Sonne ganz aufging – meinen Zauberspruch auf. Der ist natürlich streng geheim, und nur die allerwenigsten, allertreuesten Wichtel dürfen ihn erfahren. 

Als ich fertig war, trank ich einen großen Teil des Zaubertranks, cremte mir mit dem übrig gebliebenen Zaubertrank Augen und Mund ein und konzentrierte mich ganz stark. 

Ich wusste, dass meine liebe Frieda eine Langschläferin war und sie am Wochenende nie vor 9 Uhr früh aufstand. 

Daher konnte ich noch in ihre Träume schlüpfen und sie dort besuchen. 

Ich strengte mich mächtig an, nahm all meine Zauberkraft zusammen, stellte mir Frieda und Tee und Plätzchen vor und … schwupps… mit einer fetten rosaroten Wolke purzelte ich in Friedas Traum.

Frieda sah mich mit großen Augen ganz erstaunt an: „Pernilla?“

„Ja, es hat tatsächlich geklappt!“ rief ich voll Freude. „Wir können uns zwar nicht im normalen Leben sehen, aber in deinem Traum können wir nun Tee miteinander trinken und Plätzchen miteinander essen. Schau, ich habe alles mitgebracht!“ 

Und schon deckten wir den Tisch in Friedas Traum mit duftenden Lebkuchenplätzchen und frisch gemachtem Kamillentee und setzten uns. 

Wir quatschten und aßen und tranken und hatten eine ganz fantastische Zeit. 

Irgendwann sahen sich Frieda und ich sahen lange an. Und mussten plötzlich so sehr lachen, dass ich davon Schluckauf bekam und Frieda vor lauter Lachen aufwachte. 

Ich wachte auch auf – in meiner Wichtelhöhle. 

Und lauschte an der Tür – denn Frieda kam ins Wohnzimmer gestürmt und rief, immer noch lachend: „Mama, Papa, ihr werdet nicht glauben, was ich gerade geträumt habe!“ 

Mit einem großen Lächeln auf den Lippen schlief ich zufrieden ein. Nach so einer aufregenden Nacht und dem Besuch in Friedas Traum musste ich erst mal wieder Kräfte sammeln.

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