Olle und die leckeren Wolken
Der Wichtel Olle gähnte und streckte sich. Müde stand er vor dem Spiegel. Dann griff er in seinen kleinen, hölzernen Kasten und zog einen grobzinkigen Kamm hervor. Vorsichtig fuhr er sich durch seinen langen, gelockten Bart.
„Den müsste ich auch mal wieder stutzen lassen“, murmelte er vor sich hin. Der Bart ist für einen Wichtel sehr wichtig, musst du wissen – der muss fachmännisch zurechtgeschnitten und getrimmt werden. Das können nur die Bartstutzerwichtel.
„Darüber denke ich morgen nach. Jetzt ist erst mal Zeit für die wirklich wichtigen Dinge“, grunzte Olle schläfrig und stapfte mit schweren Holzpantoffelschritten zu seinem Bett. Der Kaiserschmarrn, den er sich zum Abendessen gegönnt hatte, versetzte ihn in angenehme Vorfreude: Die Zeit war reif für ein paar süße Träume.
Ordentlich stellte der Wichtel seine Pantoffel unter sein Bett, direkt neben den Nachttopf, und schlüpfte mit einem Riesengähner unter seine blau karierte, fluffig dicke Decke. Kaum hatte Olle den Kopf auf seinem Kopfkissen abgelegt, schlief er auch schon.
So war das immer mit Olle – er war ein Schnelleinschlaf-Wichtel. Während andere Wichtel sich noch lange im Bett herumwälzten und über ihren Tag nachdachten, war Olle schon längst im Traumparadies angekommen.
So auch heute. Und wie Olle es sich gewünscht hatte, träumte er seinen Lieblingstraum. In diesem Traum konnte er fliegen. Er schwebte zwischen den Wolken herum – und jede Wolke bestand aus einer süßen Überraschung die nur darauf wartete, von ihm entdeckt zu werden.
Olle schloss die Augen und biss neugierig in die erste Wolke –„mmmh, Zuckerwatte“, schmatzte er und ließ das süße Etwas genüsslich auf seiner Zunge zergehen. Er liebte das Gefühl, wenn die Zuckerkristalle sich langsam auflösten und ihren wunderschönen Geschmack mit ihm teilten.
Wie wohl die nächste Wolke schmecken würde? Olle schwebte verzückt ein paar Wichtellängen weiter, bis er eine herzförmige Wolke erreichte. Wieder schloss er die Augen und … aaaah, Schokolebkuchen! Auf seiner Zunge fand eine Geschmacksexplosion der schönsten Art statt: Gewürze vermischten sich mit bittersüßer Schokolade und dem Gefühl von Weihnachten. Olle seufzte wohlig. Was für eine Wonne!
Sollte er sich an die nächste Wolke wagen? Natürlich, denn dafür war dieser Traum doch da. Olle konnte sich durch die Nacht schlemmen ohne dabei auch nur ein Gramm zuzunehmen.
Welche Wolke sollte es nun sein? Ah, da sah Olle schon das richtige Exemplar: Eine kugelrunde Wolke, die sehr vielversprechend aussah. Als er dort angelangt war, merkte er, dass sie ein bisschen eigenartig roch. Aber er wollte nicht so sein. Jede Wolke hatte eine Chance verdient und bisher war er noch nie enttäuscht worden auf seinen kulinarischen Traumreisen. Also hielt er sich die Nase zu und biss herzhaft in die Wolke rein. Doch… bäh! Was war das?
Olle schlug entsetzt die Augen auf und sah in das lachende Gesicht seiner Nichte Antje. Sein Neffe Björn lag auf dem Boden und kugelte sich vor Lachen. Antje hielt ihm eine Zwiebel vor den Mund und Olle hatte tatsächlich ein Stück abgebissen!
Diese beiden frechen Wichtelkinder!
„Onkel Olle, hast du wieder von Schokolode- und Birnenkuchenwolken geträumt?“ grinste Antje.
„Wie? Was? Wieso…“, stammelte Olle. Wie konnten die beiden das denn wissen?
„Na, du hast mal wieder im Schlaf gesprochen, in die Luft gebissen und geschmatzt. Da dachten wir, wir spielen Sandmännchen und liefern dir einen ganz besonderen Traum“, erklärte Björn nun und schmunzelte spitzbübisch.
„Ihr seid mir ja zwei! Na wartet, vielleicht schmeckt euer Schokolebkuchen dieses Jahr zu Weihnachten auch ein kleines bisschen nach Zwiebel, wer weiß?“ antwortete Olle und scheuchte die beiden Wichtelkinder aus seiner Stube.
Dann ließ er sich wieder in sein kuscheliges Bett sinken, murmelte „wo waren wir stehengeblieben?“, schloss die Augen und ließ sich ein extragroßes Stück Erdbeerkuchen-Wolke schmecken.